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  • AutorenbildSybill Ratajczak

Selbstüberforderung, das Praxisteam, ich und die Zukunft

Personalmangel. Was an Bewerbung teilweise reinkommt, entspricht nicht unseren Vorstellungen. Die jüngere Generation kann besonders gut eines: Smartphone. Spätestens in der Teeniezeit Informationsüberflutung. Wischen, Klicken, Zack zum Nächsten. Wie soll man sich in einer solchen Welt konzentrieren können?


Zeitung lesen stellt keine Entspannung mehr dar, macht eher wütend, traurig, laugt aus. Überall Negativschlagzeilen, manche davon sind keine einzige Zeile wert. Krieg, steigende Preise, Wohnungsmangel für normal Sterbliche, die nächste grausame oder umgangssprachlich hirnverbrannte Tat. Corona das Unwort des Jahrhunderts. Nö, danke.



Vor einigen Monaten ein Anruf einer Bekannten, Krankenschwester in einem bayerischen Klinikum. „Ich kann nicht mehr, wir gönnen uns gegenseitig keinen einzigen Urlaubstag, Teamgefüge ade, du kannst froh sein, wenn du nicht angebrüllt wirst und hast ständig Lust selbst laut zu werden, musst dich zusammenreißen.“


Das Krankenschwesterleben ist zwischenzeitlich Geschichte, sie wagt die Herausforderung nach 20 Jahren in ein komplett neues Berufsbild.


Auch ich habe meine eigene Erfahrung sammeln dürfen. In Meetings mit Praxismanagerinnen im kleinen Kreis unter uns, hier darf die Wahrheit ans Licht. Angebundenes MVZ an ein Krankenhaus, der Umsatz zählte und sonst quasi nichts. Ausbeutung des Personals, über lange Zeiträume keine bis wenige Urlaubstage, immer mehr abfangen, keinerlei Entlastung. Eines Tages der Extremfall. Die gesamte Mannschaft kündigt geschlossen.


Woanders kleine und große Querelen im Team. Irgendwann verlässt das Problem namens Kollegin die Praxis, der Teamzusammenhalt verbessert sich nachhaltig. Es sind nicht immer die Mitarbeiter, sondern die mangelnden kommunikativen Fähigkeiten auf Behandler- bzw. Vorgesetztenseite. Tatsächlich ein ernstes wie vernünftiges Gespräch mit dem „zündenden“ Mitarbeiter zu führen, bleibt aus. Umgekehrt zerstört zu viel Ego ein Team gleichnamig. Die nächste Kündigung.

Kostet nicht nur Nerven und Zeit für die Nachbesetzung der Stelle, sondern kostet ebenso Geld. Rechnen Sie mal die anfallenden Arbeitsstunden für die Abwicklung durch: Abmeldung Sozialversicherung, Gehaltsabrechnung, Unterlagen an ehemaligen Mitarbeiter, Stellenanzeige formulieren, Stelle schalten, Info verteilen, Bewerberauswahl, Gespräche, Probetag, Entscheidung mit Praxispartner diskutieren, Neueinstellung (Personalfragebogen, Mitarbeiter anlegen, Arbeitsvertrag, Einarbeitung).


Zurück zum Stress – da hätten wir noch den selbst initiierten Druck. Die Praxis als tragbares Unternehmen. Umsatz muss her. Zudem wollen wir Träume leben. Bei so viel Arbeit darf es an Luxus nicht mangeln. Die Sucht nach Erfolg, das Streben nach Anerkennung, unsere Gier nach immer mehr. Wenn noch etwas herauszukitzeln ist, bin dabei. Andere wiederum gönnen sich kaum bis selten Pausen, freie Tage. Eine Frage der inneren Einstellung.


Wäre gut, diesen Wahnsinn zu beenden, doch so einfach ist es eben nicht.

Weniger Behandler auf dem Markt, das weibliche Geschlecht entscheidet sich überwiegend für Teilzeit. Im Gegenzug steigt die Patientenanzahl. Das Konzept geht nicht auf. Ziehen wir eigene Grenzen, schaden wir den Patienten. Achten wir nicht auf uns, sinkt mittel- bis langfristig unser Durchhaltevermögen. Gesetzliche Auflagen nehmen zu, unser Spielraum wird enger. Wir können schon lange nicht mehr all das leisten, was von uns abverlangt wird.


Und jetzt?


Steht der Kompromiss im Raum. Vernünftige Lösungen entwickelt das Team gemeinsam. Möglichst viele unterschiedliche Perspektiven lassen Strickfallen schneller deutlich werden.

Für bestimmte Aufgaben in einer Praxis benötigt man kein perfektes Deutsch und keine abgeschlossene Ausbildung im zahnmedizinischen Bereich. Ob uns dies passt oder nicht, wir werden darüber nachdenken müssen.

Weiterhin mit dem unterbesetzten Team über lange Zeitspannen hinweg an die Grenzen zu gehen, scheint keine Lösung der Problematik.


Verbände bieten in Kooperation mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Studiengänge an, um Mitarbeiter mehr Know How zu ermöglichen. Nicht jede Praxis kann so ein Studium finanziell stemmen. Zudem bleibt ein Restrisiko. Niemand garantiert mir, mein Invest bleibt in der Praxis. Ich kann zwar Verträge abschließen und Regelungen treffen, doch wenn es für den Mitarbeiter nicht mehr passt, passt es nicht mehr. Und umgekehrt.

Sollen wir gewisse Praxisbereiche outsourcen? Wäre ein Ansatz, jedoch bitte ein sehr wohl überlegter.


Zurück zu unserem Personalmangel. Überfällig, unsere Personalplanung mittel- bis langfristig zu betrachten. Dem Erstkontakt mit Bewerbern und jobinteressierten Websitebesuchern kommt gerade deswegen eine hohe Relevanz zu. Jeder Kontakt kann zu einem späteren Zeitpunkt wertvoll werden. Halten Sie ihn fest, pflegen sie ihn. Machen Sie diese Menschen zu Followern. Je mehr Kontakte, umso rascher kann ich Informationen streuen und erreiche treffsicher diejenigen, die sich schon einmal für die Praxis interessiert haben. Denn - nicht nur unsere Praxissituation befindet sich stetig im Wandel.



Um den Aufwand kommen Sie nicht herum. Sagt aber auch niemand, Sie müssen ihn selbst betreiben.





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